Oliver Kossack
Kossacks Kunstkapital
Der Wert einer Ware entsteht aus einem komplexen Gefüge von eingesetzter Arbeitskraft, dem Unterschied zwischen Tausch- und Gebrauchswert, der gesellschaftlichen Nachfrage und Bedeutung eines bestimmten Artikels und seiner allgemeinen Verfügbarkeit. Die Analyse von Qualität und Quantität der Waren, der Arbeits- und Produktivkraft und schließlich des entstehenden Mehrwerts bildet einen wesentlichen Faktor bei einer marxistischen Interpretation des freien Marktes und der daraus resultierenden Gesellschaftsform. Folgt man der Logik des einführenden Zitats, dann sind die Bilder von Oliver Kossack einer einfachen Werthierarchie unterworfen. Bilder, deren Anfertigung 3 Minuten dauerte, sind weniger wertvoll als Bilder die 11, 33 oder 77 Minuten der Arbeitskraft des Künstlers beanspruchten. Dieser Logik folgt der Künstler nicht, sondern setzt für die Bilder gleichen Formats denselben Preis ein. Nicht die Dauer der Entstehung dient als Preisvorgabe, sondern die Größe; die aber variiert gering und kann daher kaum als plausibles Faktum der jeweiligen Wertigkeit gelten. Auch Karl Marx wusste, dass die oben genannte Gleichung den fast schon metaphysischen Prozessen der Schaffung von Werten nicht entspricht. Die Konzeption von Kossack, die Entstehungszeit der Bilder in den Mittelpunkt der Rezeption zu rücken, provoziert nicht nur die Frage nach den zum Teil irrationalen Widersprüchen der kommerziellen Wertigkeit von Kunstwerken. Der ideelle Wert von Kunst steht ebenfalls zur Diskussion. Das mathematischökonomische System funktioniert nur zur Verklärung der Kunstproduktion oder für ihren Verkauf. Der jeweilige Inhalt ist damit kaum zu greifen, es sei denn, Ökonomie und Mythos der Kunst stehen im Mittelpunkt der Auseinandersetzung. Gibt es ein nachvollziehbares und notwendiges Arbeitsquantum, das logischerweise zur Entstehung von ernsthafter und relevanter Kunst führt?
Eine der vielen Theorien über die Sprachherkunft von OK bezieht sich auf das in die Seitenschweller der ersten VW-Käfer eingeschlagene Kürzel OK. Otto Krause, so der Name des Endabnahmeprüfers einer nicht unerheblichen Anzahl von Exportkäfern für die USA. Seit der Einführung vorgetakteter Produktionszeiten am Fliessband sind Zeitvorgaben und Abnahmekontrollen Alltag unserer Produktionsbedingungen.
In seiner aktuellen Ausstellung importiert Oliver Kossack diese Bedingungen in die Produktion von Malerei und macht Werteproduktion, Zeitbudget und Zustimmung zu deren konzeptueller Basis. Als Gastprofessur an der HBK Saarbrücken (Hochschule der Bildenden Künste Saar) haben Kossack und seine Studenten sich mit »Malerei zwischen Kunstmarkt und Supermarkt« beschäftigt und die Ausstellungsprojekte PULS und ECHT realisiert. Nun thematisiert er im Herstellungsprozess der eigenen Arbeiten die Fragen nach Produktionzeiten und Marktwert. Er produziert Bilder nach strengen Zeitvorgaben von drei, elf, dreiunddreizig und siebenundsiebzig Minuten. Er ist Zeitnehmer und Produzent in einem und gibt zur Endabnahmeprüfung sein OK.