Nadin M. Rüfenacht
Die fotografischen und plastischen Arbeiten von Nadin Rüfenacht kreisen seit einigen Jahren um die Darstellung des Tieres als Kreatur und kulturelles Zeichen. Diese Auseinandersetzung scheint eine Tag- und eine Nachtseite aufzuweisen, wobei es bei längerer Betrachtung immer schwieriger zu unterscheiden ist, wo das Reale endet und das Traumhafte beginnt. Zugleich sind diese beide Seiten mehr als nur zwei Seiten einer Medaille, sie sind zwei Bestandteile eines Ganzen, ineinander verwoben und nicht zu trennen.Der Tod eines Tieres, ob nun als Gnadenakt oder zur unmittelbaren Weiterverwertung gewaltsam herbeigeführt, ist Ausgangspunkt der einen Annäherung. Genauer gesagt ist der tote Körper als schlichtes visuelles Faktum deren hauptsächlicher Bildgegenstand. Die auf den Böden hochmoderner Schlachthäuser liegenden Kadaver von Stieren und Pferden sind in der größtmöglichen Direktheit einer fotografischen Abbildung wiedergegeben. Schonungslos wird der Betrachter im Angesicht des Tieres mit dem Antlitz des Todes konfrontiert, den wir in die dafür spezialisierten Hygieneabteilungen zu verdrängen suchten. Fotografien, die konkreter nicht sein können, und zugleich hochästhetische Bilder sind. Dem nackten Tod der Kreatur steht der stilisierte Tod durch die Kultur und den Fortschritt gegenüber. Das Motiv des domestizierten Tieres kehrt in Nadin Rüfenachts Arbeiten immer wieder, in der Form kleiner, gesammelter Plastikpferde, tierförmiger Roboter und nicht zuletzt in sorgfältig ausgearbeiteten Porträtsitzungen und Stillebendarstellungen, wofür ihre eigenen Windhunde Modell stehen. Dabei eignet sich die Fotografie in besonderer Weise dazu, die lange pikturale Tradition des Stillebens weiterzuführen, indem der mechanische Darstellungsprozess alles Lebendige und alle Artefakte und Requisiten der Inszenierung in den Stillstand und die homogene Oberfläche des fotografischen Bildes überführt. In einigen früheren Porträts aus dem Werkkomplex Helden nehmen die Hunde noch wie selbstverständlich als Protagonisten die Bildbühne für sich ein, doch hinter diesen Erscheinungen wird bereits, wie in vielen Porträts, eine gewisse Dressur spürbar. Im Begriff der »Nature Morte« bündeln sich die verschiedenen Perspektiven der jungen Künstlerin wie unter einem Brennglas. Hinter der »toten Natur« und den »Stilleben« verbirgt sich ein vielfältiges Dispositiv des Todes. Der schonungslos gezeigten Reduktion des Tieres auf seine Materialität stehen kunstvolle Choreographien gegenüber, beide Sichtweisen sind nur sehr unterschiedliche Aufführungen eines gespenstischen Totentanzes. Der einen liegt die moderne, technische Rationalisierung unserer ökonomischen Verwertung von Tieren zu Grunde und der anderen die kulturelle Sublimierung unserer Schuld, dass wir sie uns angeeignet haben.
Nadin M. Rüfenacht “Nature Morte” von Florian Ebner
Courtesy by Galerie Kleindienst