Simon Rübesamen
Bereits in einer der ersten Arbeiten („Lecken“, 2004) von Simon Rübesamen wird das Programm sichtbar, an dem sich im Folgenden auch alle weiteren Arbeit ausrichten und wie in einem Labor zum Untersuchungsgegenstand verschiedenster Fallanalysen werden.
Vordergründig eine Arbeit aus dem Bereich Medienkunst, ist „Lecken“ (2004) vielmehr eine Auseinandersetzung mit der Zeichenhaftigkeit aller Wahrnehmungsprozesse, die kulturell gesehen auch allen Dingen bzw. Objekten an sich zu eigen ist. Mittels Intervention des Künstlers – durch simples Lecken – wird der Stuhl aus seinem Bezugsrahmen herausgelöst und verwandelt sich in etwas „Neues“. Dieser Prozess, den man schlicht als Kultur bezeichnen kann, beginnt bereits mit dem Gebrauch von Werkzeugen. So kann aus allem, mit dem man einen Nagel in die Wand schlägt, ein Hammer werden. Denn allein durch den Gebrauch wird innerhalb eines symbolischen Systems aus Wirklichkeit Realität, entspinnt sich ein Geflecht aus Bedeutungen, die es immer wieder auf‘s Neue zu entschlüsseln gilt.
In seinen Objekten thematisiert Simon Rübesamen immer wieder die Frage nach Signifikant und Signifikat mit Mitteln der Skulptur. Formen und Farbe, Oberflächen und Material, Sockel und Raum werden zu Bedeutungsebenen verdichtet, die der Betrachter in Bezug zu seinem eigenen Erfahrungshorizont ordnen und einzuordnen versucht ist. In diesem dialogischem Prozess zwischen Objekt und Betrachter werden die Referenzen aus inneren Bildern bzw. verinnerlichten Ideen offengelegt. Die einzelnen Arbeiten spielen dabei mit den gängigen Rezeptionsmustern mittels absichtlicher Brechung.
So wird z.B. in der Arbeit „LR26“ (2009) ein Körper aus industriell anmutenden Formstücken mit seinem farbigen Pendant kombiniert. Aus einem konzentrischen Zylinderstab erwächst ein organischer Appendix – „P8KL“ (2007). Die Übergänge und Grenzen zwischen einerseits biomorphen sowie andererseits technischen Formen scheinen dabei oft fließend. Die Formensprache ist jedoch bewusst gewählt, um beim Betrachter der Arbeiten ein Gefühl der Vertrautheit zu erzeugen. Die Skulpturen erinnern meist an Etwas, jedoch fällt es schwer, dieses Etwas genau zu benennen – „Ohne Titel“ (2010), „UM“ (2012).
Diese „Unschärfe“ ist insofern schon bereits in den Titeln der Arbeiten angelegt, als diese auf etwas nicht Greifbares verweisen, obwohl „P8KL“ bzw. „UM“ scheinbar exakte Bezeichnungen sind.
Aber auch durch eine permanente formale Reduzierung der Körper erweist sich scheinbare Abstraktion eigentlich als Ambivalenz. Bei der Arbeit „Ohne Titel“ (2012) wird, unterstützend durch die extrem perfekt anmutende, pink glänzende Oberfläche, die „ursprüngliche“ Form, trotz ihrer Einfachheit, vor dem Betrachter quasi verborgen. Je nach Intension wird dieses Spannungsfeld zwischen Abstraktion und Ambivalenz in den Formen selbst angelegt bzw. durch unterschiedliche Oberflächen und Materialität der Objekte noch forciert. So zu sehen durch das Hinzufügen einer gelben Kugel an einen ansonsten homogenen weißen Körper – „Ohne Titel“ (2010).
Andere Arbeiten erweitern die bereits beschriebenen Ansätze insofern, als sie diese auf eine weitere Ebene ausdehnen. Sind Sockel und Skulptur eigentlich formal von einander getrennt, werden sie hier in einer Einheit gedacht. Bei „Ohne Titel“ (2014) entspricht der Sockel eher einem integralen Additiv, bei dem beide Komponenten miteinander verschmelzen, wobei hingegen bei „CP4G“ (2008) die unterschiedliche Materialität der Sockelaussenseiten die Skulptur je nach Blickrichtung modifiziert.
Die von Simon Rübesamen entwickelten hybriden Körper sind in Ihrer Zeichenhaftigkeit Grenzgänger und scheinen damit in ihrer Rezeption eine Projektionsfläche unterschiedlichster Realitäten zu sein, die sich allein aus der Wirklichkeit des Betrachters speist. Dabei spielt er auf äusserst sinnliche Weise mit unserer Wahrnehmung.
Marco Funke